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Freitag, 31. Dezember 2010

Schweige, wenn das Leben schreit!


Seit ca. 2007 geht mein Leben den Bach herunter, mit dem Tod meiner Oma angefangen.
Damit waren bittere Tränen der Trauer an meinem nächsten Geburtstag sicher, der auch ihrer hätte sein sollen. 50 Jahre Altersunterschied lagen zwischen uns.
Mein Opa fing an krank zu werden, der Tod meiner Oma machte ihm schwer zu schaffen. Es kam mir vor, als wäre er nicht mehr der selbe. Er hatte sich nicht nur innerlich sondern auch äußerlich verändert. Mein Opa, der immer wusste, was zu tun ist, der alles verstand und immer für mich da war, manchmal ein bisschen zu besserwisserisch, doch ich hatte ihn lieb.
Urlaube hatte ich immer geliebt, doch wenn es ein Ort gab, an den ich nicht reisen wollte, war es die Nordsee. Krebse und Wattwandern.

Anfang 2009 bucht mein Großvater einen Urlaub an die Nordsee mit meiner Tante, meiner Mutter, meinem Vater, meiner Schwester und natürlich mir. In den Sommerferien sollte es sein. Wann würden wir anreisen?
Am 13.07. "Mama, das kannst du nicht machen! Am nächsten Tag habe ich doch Geburtstag! Ich hasse die Nordsee! Da mach ich nicht mit!"Doch ich machte da mit, auch im Wissen, dass dieser Urlaub womöglich der Schrecklichste aller Zeiten werden würde.


13.07.2009, wir kommen früh am Morgen in Duhnen an. Wir wollen kurz nachdem wir uns in unserem Appartment eingerichtet haben, einen Spaziergang zum Strand machen. Ich laufe mit meiner Schwester schon vor, sie findet diesen Urlaub ungefähr genauso schrecklich wie ich. Und da passierte es. Ein Schrei. Ich drehe mich um. Mein Opa hängt halb am Boden. Mein Vater hält ihn gerade noch fest. Meine Mutter ist völlig geschockt. Er ist umgeknickt. Es dauerte nicht lange, da hat sich mein Großvater wieder gesammelt. So scheint es zumindest. Ein paar Meter gehen wir weiter, doch er kann nicht ohne die Stütze meines Vaters laufen. Dann laufen wir mit ihm zurück, setzen uns ins Auto und fahren ins nächste Krankenhaus. Er kann nicht behandelt werden, es gab nicht die nötigen Mittel dort.
Was auf dem Weg zurück ins Appartment geschah, erspare ich euch lieber.
Und was wir jetzt tun mussten, war klar: So schnell wie möglich den Urlaub abbrechen und nach Hause fahren. Da die Fahrt eine Länge von 6 Stunden beträgt, konnten wir nicht mehr am selben Tag zurück. Als ich das erfahre, wird mir nicht nur schlecht.. Ich werde auch noch richtig wütend. Nicht, wegen der Tatsachen selbst. Eher, weil ich es allen vorher gesagt habe, wie schlimm das werden würde. Auch, wenn ich so etwas nicht geahnt habe.

14.07.2009, wir fahren nach Hause, machen einen Abstecher im Krankenhaus. Dort geben wir meinen Opa ab, meine Mutter bleibt bei ihm. Mein Vater, meine Schwester und ich fahren schon mal nach Hause. Den Rest des Tages saß ich flennend in meinem Zimmer und hoffte, alles würde wieder gut werden.
Schon lange hatte ich bemerkt, dass meine Eltern sich immer häufiger stritten. Das ging jetzt schon eine Weile so und aufhören wollte es irgendwie auch nicht. Es wurde immer schlimmer und ich bekam es von mal zu mal mehr mit. Meine Mutter saß lange am Tag kichernd vor ihrem Laptop, den mein Vater ihr geschenkt hatte. Und was tat sie da? Sie schrieb mit anderen Typen. Da bin ich mir heute noch sicher. Eigentlich hatte mit diesem verfluchten Laptop sogar der Streit meiner Eltern begonnen.


17.12.2009, meine Mutter teilt uns etwas mit: In zwei Tagen kommt dieser Schweizer aus geschäftlichen Gründen hier in die Gegend. Er läd mich auf einen Kaffee ein.
Mein Vater bekam davon natürlich Wind, nicht irgendwie. Meine Mutter hatte es ihm gesagt. Höchstpersönlich. "Wenn du das machst, brauchst du dich an meinem Geburtstag nicht mehr in diesem Haus blicken lassen!"


19.12.2009, der Geburtstag meines Vaters. Familie und Freunde sind eingeladen. Und wie erwartet erscheint meine Mutter nicht. Sie ist weg. Sobald es geht, ziehe ich mich am Abend zurück in mein Zimmer und tue das, was ich eben so tu, wenn ich nicht mehr weiß, wohin mit dem ganzen Shit. Rumsitzen und weinen. Abends verlasse ich nochmal kurz mein Zimmer, will nur kurz über den Flur huschen. Da höre ich auch schon, wie sich mein Vater und sein Bruder ausführlich über verschiedene Dinge unterhalten ... Ich habe länger als eine Stunde einfach nur oben an der Treppe gesessen und gelauscht. 



20.12.2009, meine Mutter kreuzt wieder zuhause auf. Der Tag verlief den Umständen entsprechend. Abends sagt sie mir gute Nacht, meine Schwester sitzt auch noch in meinem Zimmer. Ich will nicht, dass die beiden jetzt gehen. Ein dicker Kloß bildet sich in meinem Hals und ich bringe es über mich, das auszusprechen, wovor ich am meisten Nagst habe. "Mama, ich möchte nicht in die Schweiz ziehen." "Kristin, dafür ist es jetzt zu spät."

29.12.2009, meine Mutter und ich fahren in die Schweiz. Mein Vater ist in Kur. Meine Eltern sind jetzt getrennt. An Silvester hat sich meine Schwester natürlich zu ihren Freunden verdrückt. Und so werde ich mit zu dem jetzigen Freund meiner Mutter geschleift. Ich werde förmlich gezwungen, ihn zu mögen. Und ja, so übel ist er gar nicht. Aber er hat etwas Seltsames. Etwas, das ich nicht deuten kann.

01.01.2010, punkt null Uhr. Meine Mutter zwingt mich mit ihrem Teufelsblick, der sagt: "Wenn du nicht das tust, was ich dir sage, krieg ich die Krise!", ihren Freund zu umarmen.

Irgendwann Januar, meine Mutter, meine Schwester und ich ziehen ein paar Orte weiter in eine Wohnung.

14.07.2010, "O, wie traurig, dass er nicht aus der Schweiz herkommen konnte. Er wollte doch so gern, aber er muss arbeiten." Innerlich triumphiere ich, doch meine Fassade bleibt erhalten. Ich tue so, als fände ich es auch schade. Was bekomme ich zum Geburtstag? Eine Spiegelreflexkamera. Hätte ich nicht mit gerechnet. Wollen die mich bestechen? ... Womit sollten sie denn?

So langsam steht fest, wir werden in die Schweiz ziehen. Und wie wir es werden. Mein Großvater kam ins Krankenhaus, er war umgekippt. Dort wurde eine Altersdemenz bei ihm diagnostiziert. Er kam ins Altenheim.
Meine Schwester macht ein Praktikum in der Schweiz, das wollte sie eigentlich gar nicht. Und ich hasse es. Wahrscheinlich noch mehr als sie. Ich bin drauf und dran, alle zu überzeugen, nicht hier weg zu ziehen. Zu meinem Schrecken gefällt meiner Schwester das einwöchige Praktikum, ihr wurde sogar ein Ausbildungsplatz angeboten.
Und so weit war es jetzt. Vor Kurzem unterzeichnet sie den Vertrag. Damit bricht eine Welt für mich zusammen. Denn hiermit stand fest, sie würde in die Schweiz ziehen, meine Mutter würde in die Schweiz ziehen und ich müsste mich entscheiden, ob ich mitgehe, oder zu meinem Vater gehe. Dabei hatte meine Mutter noch ein paar Tage bevor meine Schwester den Vertrag unterzeichnet hat, gesagt, sie würde mich nicht im Stich lassen, sie würde nicht ohne mich gehen. Und für mich steht fest, ich werde nicht gehen. Denn ich hatte mir selbst einmal etwas geschworen, was mich umbringen würde, sobald ich in die Schweiz ziehen würde. Wann würden wir umziehen? In den Sommerferien 2011.


Oft rede ich mit meiner Mutter, flehe sie an, hier zu bleiben mit mir und meiner Schwester. Sage, ich möchte niemals dort hin. Dann sagt sie "Das hättest du früher sagen sollen" "Das hab ich doch!" ... Nichts bringt's. Nichts.
Irgendwann kurz vor Weihnachten, meine Mutter und ich gehen zusammen in die Stadt. Wir machen uns schon früh am Morgen los und frühstücken dort. Das erste Mal erzählt sie mir von meiner Geburt. Ich hatte immer nur gehört, dass es eine schwere Geburt war.
Sie erzählt mir, dass ich fast behindert geworden wäre, dass ich keine Luft bekommen habe, dass alle Ärzte zusammen gerufen wurden für meine Geburt. Mir wurde Blut am Kopf abgenommen und nach mir hatte sich meine Mutter geschworen, nie wieder ein Kind zu kriegen, meinte sie.

30.12.2010, da bin ich jetzt. Ich denke nach. Der 14.07., mein Geburtstag, ist für mich ab sofort ein verfluchter Tag. Der Geburtstag meiner verstorbenen Großmutter, ihr Hochzeitstag und derer meiner getrennten Eltern.
Ich bin froh, dass ich morgen zu einer guten, vielleicht sogar meiner besten Freundin flüchten kann, um mit ihr ins neue Jahr zu starten. Mich plagt immer noch die Frage, was mir bevorsteht. Ob ich mit in die Schweiz gehe oder bleibe. Hier, wo alles ist, was ich brauche. Oder soll ich doch lieber meiner selbstsüchtigen Mutter ins Verderben folgen und mir meinen Schulabschluss versauen? Meiner Mutter, die eigentlich versprochen hatte, mich nie allein zu lassen. Die, die mich allein lassen wird. Die, die sagt "Ich habe auch noch einen Anspruch auf mein eigenes Leben und du wirst es mir nicht versauen"



1 Kommentar:

  1. Ich wünsche dir, dass alles so klappt, wie du es dir wünschst !!

    liebe Grüße, Bia.
    http://geniusdressing.blogspot.com

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